Interview des Bewegungsinitiators, Dr. Christophe Andreoli

15.04.2021

Christophe, zum Thema Tierschutz: die Tierschutzbewegung ist relativ stark entwickelt in Deutschland mit zahlreichen Organisationen, scheitert aber deutlich bisher auf politischer Ebene. Hast du eine Erklärung dafür?

Das Bewusstsein für die Notwendigkeit, unseren Umgang mit Tieren grundlegend zu ändern, wächst langsam aber glückicherweise stetig in der heutigen Gesellschaft und steht in der Tat in derselben Tradition, die zur Entwicklung der Menschenrechte geführt hat.

Allerdings ist die Welt der Tierschutzorganisationen und -parteien sehr zersplittert und heterogen, was zwar eine Stärke sein kann, aber eher als Schwäche angesehen werden sollte. Es gibt viele Wege nach Rom, wenn es darum geht, die eigene Einstellung zu unseren Mitgeschöpfe zu ändern und sich zumindest teilweise von der anthropozentrischen Kultur zu befreien. Infolgedessen finden Menschen mit zum Teil sehr unterschiedlichen Motivationen und Geschichten ihren Weg in die Tierbewegungen. Was eine Bereicherung sein könnte und sicherlich ist, führt aber auch dazu dass die Zusammenarbeit in diesen und zwischen den unterschiedlichen Bewegungen keine einfache Angelegenheit ist.

Meiner Meinung und Überzeugung nach liegt das vor allem an der Emotionalität, die mit dem Thema Tierschutz verbunden ist. Die grausamen Bilder der Tierausbeutung erreichen die meisten Menschen jedoch kaum, denn das Bewusstsein, dass der Respekt vor dem Leben nicht vor der eigenen Spezies halt machen sollte, kann nur das Endergebnis einer langen und persönlichen Selbstreflexion sein. Vielmehr geht es darum, diesen geistigen Weg zu fördern und zu begleiten, insbesondere durch die Vermittlung der Grundlagen der Tierethik. Oft genügt eine einzige Frage, um sich auf diesen Weg einzulassen: In meinem Fall begann es mit einer Begegnung mit einer Spinne unter vielen und einer Frage, die plötzlich auftauchte:

Warum sollte mein Recht auf Leben und Freiheit Vorrang vor ihrem haben? Wie kann ich das rechtfertigen, wenn überhaupt?

Da ich keine Antwort parat hatte, machte mich stutzig, dies war der Beginn einer langen Überlegung.

Christophe, warum die Idee eine Bürgerbewegung für die Tiere in Ingolstadt zu gründen?

Ersten meiner Meinung nach kann der Kampf für Tierrechte nur überparteilich sein. Die Grenze verläuft nicht etwa zwischen Mondialisten und Protektionisten oder zwischen Liberalen und Konservativen, sondern zwischen dem Anthroprozentrismus, der den Menschen als wichtigstes Element der Natur ansieht, und dem Biozentrismus, der allen "Lebewesen" einen ethischen Eigenwert zuschreibt.

Zweitens muss es eine Bewegung von Ingolstädtern für Ingolstädter sein, die diese Themen politisch vorantreiben wollen. Es geht nicht nur darum, zum Beispiel Mahnwachen vor einem Schlachthof zu organisieren, sondern den anderen Bewohnern Ingolstadts zu zeigen, was eine Gemeinde als wirklich tierfreundliche Stadt leisten kann. Es geht darum bei den nächsten Kommunalwahlen Sitze im Stadtrat zu gewinnen und ja, die Stimme der Tiere im Ingolstädter Stadtrat zu sein.

Tierschutz ist zweifellos als Randthema in der Ingolstädter Stadtpolitik angesehen. Wie möchte deine Bewegung das ändern?

Die Themen rund um Tiere sind für die meisten Parteien, für die Lobby und einige Branchen Randthemen, für unsere Lebensethik, für unsere Umwelt und unseren Planeten sind sie zentrale Themen! Ich nenne unter anderem: die Reduktion des für die Umwelt verheerenden Fleischkonsums, die Koexistenz von Fauna und Mensch in einem urbanen Umfeld, eine starke Biodiversitätspolitik, die Funktion eines städtisches Tierschutzsreferenten mit ausreichenden Ressourcen und Befugnisse gründen, eine kommunale Politik gegen Tiermisshandlungen in der Gemeinde, Einführung von Tierethik bei Schülern, die verstärkte Kontrolle der Hobbyjagd. In naher Zukunft wird sich unsere Bewegung darum bemühen, diese Themen in den Vordergrund der öffentlichen Aufmerksamkeit zu rücken.