Ingolstadt, Tierschutz, seine Kaninchen und seine Politiker

29.03.2021

Lange Zeit wollten wir unser tierisches Wesen als schändlichen Teil unseres Erbes verstecken.

Wir, Menschen, haben uns selbst erheben wollen, überzeugt von unserem überlegenen kognitiven Potenzial, und haben die Mehrheit der übrigen Lebewesen auf unsere Teller, in Aquarien, in Gefängnisse, die wir Zoos nennen oder einfach in der Vergessenheit verbannt.

Die Erkenntnis, dass der dramatische Verlust der Artenvielfalt unser Ökosystem und unsere eigene Spezies bedroht, sollte uns dazu bringen, nicht nur unsere Beziehung zur Umwelt zu hinterfragen, sondern auch zu den anderen Lebewesen, die sie teilen und zu ihrem Gleichgewicht beitragen. Es geht auch darum, unsere Beziehung zum Tier und letztlich zu unserer eigenen Animalität zu hinterfragen.

Wie die französische Schriftstellerin Francoise Dolto schreibt

"Jesus wurde auch in der Tiergestalt des Menschen auferweckt"

Charles Darwin hatte uns schon vor etwa 160 Jahren den Weg gewiesen: den menschlichen Teil in den anderen Tieren und den tierischen Teil in uns selbst zu akzeptieren. Die Gelegenheit wurde leider verpasst, und unsere andauernde Platzierung auf einem Podest über dem Rest der lebenden Welt führt uns tatsächlich in eine Sackgasse. 

 Letztlich gibt uns unsere kognitive Überlegenheit mehr Verantwortung und damit mehr Pflichten als Rechte. Sich nur auf Letzteres zu konzentrieren, ist ein schwerer Fehler.

Wie kommen wir also aus diesem Dilemma heraus? Und wie wirkt sich das auch auf unsere Kommunalpolitiker aus?

Wenn ein Politiker planen und handeln muss, im schlimmsten Fall als Reaktion auf kurzfristige Ereignisse, im besten Fall mit einer langfristigen Vision, vergessen wir oft die Notwendigkeit einer vorausgehenden ethischen Reflexion. Dies ist nicht den Gremien vorbehalten, die sich mit Ethik beschäftigen.

 In der Frage der Tiere gehen Ethik und Umweltbelange Hand in Hand, sie sind untrennbar.

Wie jede Großstadt ist auch Ingolstadt nicht immun gegen das Thema der nachhaltigen Entwicklung und der Erhaltung/Wiederherstellung der Biodiversität. Die Forderung nach einer ethischen Reflexion über unser Verhältnis zu anderen Tierarten sollte auch eine Forderung an unsere Kommunalpolitiker sein. Ich habe die Naivität zu glauben, dass sich unsere Stadträte tatsächlich mit diesen grundsätzlichen Fragen auseinandersetzen sollten; Das sollte keine Unterstellung sein, ich bezweifele aber letztendlich dass dies immer der Fall ist. Ja, jeder politische Entscheidungsträger, auch auf kommunaler Ebene sollte sich solchen intellektuellen Anforderungen stellen, sonst läuft er Gefahr, bestenfalls Zuschauer und schlimmstenfalls Verteidiger oft kategorialer Interessen zu sein.

Die Tierfrage in Ingolstadt taucht von Zeit zu Zeit aus aktuellem Anlass wieder auf, wie z.B. vor einiger Zeit die Debatte über die Ausrottung oder Nichtausrottung von Kaninchen im Klenzepark, ansonsten existiert sie nicht und scheint keine der vertretenen Parteien wirklich zu interessieren, auch nicht die eher ökologisch orientierten. 

Meiner Meinung nach ist dies eine verpasste Chance, die nicht nur wünschenswert wäre, sondern auch die Stadt Ingolstadt und ihre Umgebung in ein besseres Licht rücken würde.